Löwenzorn

Gemsberg 2

Das äusserst komplexe Gebäude, von dem um 1300 fünf separate Gebäulichkeiten überliefert sind, hat seine nach dem Erdbeben von 1356 geschaffene Grundstruktur bis heute erhalten. 1495 kam bergaufwärts noch ein Anbau dazu, dessen illusionistischer Fassadendekor 1968 frei gelegt und restauriert wieder sichtbar gemacht wurde.

Diese illusionistischen Elemente finden sich spektakulär im Intarsienzimmer im ersten Stock des Hauptbaus wieder. Das Haus hatte indessen zahlreiche Umbauten und Besitzerwechsel hinter sich, unter anderen besass es der Bürgermeister und Gesandte Heinrich Meltinger (vor 1471-1531), der als Hauptmann 1515 im Marignanofeldzug den Höhepunkt und den Untergang des Schweizer Söldnerwesens hautnah mit erlebte. Später musste er als altgläubiger Glaubensflüchtling Basel verlassen. Die nächsten Besitzer wurden die Buchdrucker Valentin Schaffner «Curio» (um 1500-1531) aus Hagenau, Johann Waldner aus Zürich (+1541) und Lienhard Wirth «Hospinianus», damalige IT-Spezialisten. 

1555 kaufte der gut betuchte Glaubensflüchtling Balthasar Ravelasca, ein Grosshändler aus Oberitalien, das Anwesen und begann, es umzubauen und zu modernisieren. Damals war die Renaissance in Basel noch kaum angekommen. Ravelasca liess es mit einem Renaissanceportal verschönern, das mit dem von Daniel Heintz geschaffenen Portal des Schützenhauses von 1561 eng verwandt ist. Die Fassade des Anbaus erhielt perspektivische Fantasiearchitekturen, und die 10 Meter lange und etwa 6,25 Meter tiefe Prachtstube im ersten Stock bekam eine Täferung mit abwechslungsreichen Architekturmotiven. Durch die perspektivisch korrekt konstruierten Architekturen mit ihren plakativen illusionistischen Effekten öffnete sich den Betrachtern gleichsam die Wand.

Die korrekte Anwendung der Zentralperspektive vor allem in der Erfassung von Architekturen wird den Architekten Filippo Brunelleschi (1377-1446) und Leon Battista Alberti (1404-1472) zugeschrieben. Die zentralperspektivisch wiedergegebener Fantasiearchitekturen übten eine grosse Faszination auf ihre Zeitgenossen aus. Verbunden mit den wachsenden mathematischen Kenntnissen und dem Buchdruck verbreiteten sie sich zunehmend in ganzen Kompendien und Stichwerken wie beispielsweise des Venezianers Sebastiano Serlio. Solche Druckwerke haben auch bei der Gestaltung dieser aus zahlreichen Holzsorten geschaffenen kunstreichen Einlegearbeiten Pate gestanden.

Von 1655 bis 1795, 140 Jahre lang, war das Anwesen im Besitz der Familie Mitz. 1718 brachte der mit Agnes Frey (1684-1758) verheiratete Daniel Mitz (1680-1751) aus einer Ratsfamilie, Beisitzer am Stadtgericht, den alten Sitz wieder à jour. Er unterteilte den Intarsiensaal, aber er würdigte offenbar die qualitätsvolle Arbeit und erhielt die Täferung zum grössten Teil im Originalzustand. Auf der Nordseite trennte er einen Bereich für einen Salon ab und versah ihn mit einem Cheminée und einer äusserst filigranen Stuckdecke, auf der sich das Datum 1718 und das Steinmetzzeichen von Conrad Hersperger (1684-1745) finden. 

Ihr Sohn Daniel Mitz (1724-1789), ein studierter Jurist, Ratsherr, Oberzunftmeister und zwölf Jahre lang Bürgermeister von Basel, verblieb mit der Heirat mit Anna Katharina Merian, der Tochter des Direktors der Kaufmannschaft, ganz in den oberen Sphären der Basler Prominenz. Mehrfach nahm er auch als Gesandter an der eidgenössischen Tagsatzung in Frauenfeld teil. Unter seinem Besitz erscheint 1781 erstmals der Hausname «Löwenzorn». 
Nach verschiedenen Wechseln übernahm 1874 Bierbrauer Fritz Faesch-Salathé (1858-1899) das Haus. Er war es, der darin eine Gaststube einrichtete und seine Brauerei an der Grenzacherstrasse nach dem Namen des Hauses «Basler Löwenbräu» taufte, Sie wurde später, neben vielen anderen Brauereien, von Warteck übernommen. 

Im Jahr 1922 erkor die Fasnachtsclique Basler Mittwoch Gesellschaft den "Löwenzorn" (kurz "Zorn" genannt) zu ihrem neuen Stammlokal. Und im Jahr 1951 zog im ersten Stock der Liegenschaft die Zunft zu Gerbern ein. Dank ihres Bannerherrn Hans Scholer hatte sie somit nach achtzig heimatlosen Jahren einen neuen Sitz gefunden. Ihr mittelalterliches Zunfthaus Ecke Gerbergasse und Gerbergässlein war wegen der Korrektion der Gerbergasse 1874 enteignet und abgebrochen worden. Dasselbe Schicksal war der Schneiderzunft beschieden, deren Zunfthaus in der Gerbergasse ebenfalls weichen musste. Seit 1966 nutzt nun auch die Schneiderzunft den Intarsiensaal als Lokal. Ebenfalls fanden die Studentenverbindungen Rauracia und Alemannia in der traditionsreichen Liegenschaft am Gemsberg eine Heimat. Seit 1996 sind sie Besitzer des "Löwenzorn" und haben dazu die Aktiengesellschaft "Zum Löwenzorn AG" ins Leben gerufen.