Zerkindenhof

Nadelberg 10

Als einziger unter den ehemaligen Adelshöfen haben sich beim Zerkindenhof die Ausmasse der ursprünglichen Parzelle, die sich vom Nadelberg bis hinüber zum Petersgraben an die innere Stadtmauer erstreckt, erhalten.

Durch das - gleich wie beim Schönen Haus (Nadelberg 6) - auf 1271 datierbare Dachwerk ist der Baubeginn belegt. Auch die Raumdisposition ist sehr ähnlich wie beim Nachbarhaus. Neben doppelgeschossigen Kellern haben beide Gebäude im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss des rückwärtigen Baus grosse dekorierte Säle, möglicherweise wurden sie als Festsäle wie als Warenlager genutzt.

Namensgeber des Zerkindenhofs war der Ritter Nikolaus Zerkinden (+1344), ein wichtiger Gefolgsmann des Bischofs Johann Senn von Münsingen (1335-1365) zur Zeit der Auseinandersetzung zwischen den bischoftstreuen Psittichern und den Habsburg zugeneigten Sternern. Der ritterliche Anspruch tritt in den Ausmassen des grossen Erdgeschossaales und dessen Malerei an den Deckenbalken deutlich zutage, die in den Sechzigerjahren wieder freigelegt worden ist. Pflanzliche und geometrische Ornamentbänder schmücken die Balken seitlich, figürliche Motive wie eine Schwurhand und Gesichtsprofile sowie Wappen - darunter dasjenige der Clementa von Tegerfelden, der Gattin des Nikolaus Zerkindens - ihre Unterseite. Die hell verputzten Zonen zwischen den Balken tragen monumentale Hagrosen in erdigen Rottönen. Eine solche Ausstattung verweist auf eine ritterliche Trinkstube. Weitere adelige Familien übernahmen die Hofstatt; sie wurden jedoch abgelöst durch Vertreter des arrivierten Bürgertums: Kaufleute, Achtburger, Bürgermeister und Zunftobere.

Am Fensterpfeiler im hinteren Saalende trägt ein Engel die Wappen eines späteren Besitzerpaars, Margaretha Männlin und Lohnherr (Leiter der Baubehörde) Conrad Held, möglicherweise geschaffen von Ruman Faesch (um 1460-1533/34). Ausserdem dürften die für spätgotische Wanddekorationen typischen, mit Punktbändern eingefassten Pflanzenbouquets in der Fachwerkwand des ersten Stocks auf die Zeit um 1500 zurückgehen.

Als herausragende Persönlichkeit an einer Zeitenwende muss der kriegerische Bürgermeister Junker Heinrich Meltinger (vor 1471-1531) erwähnt werden, der zuvor im Haus zum Löwenzorn gewohnt hatte. Er besass den Zerkindenhof nur von 1526 bis 1529 und war nach der Reformation als Altgläubiger gezwungen, die Stadt zu verlassen, worauf er nach Colmar floh.

Nach einem Humanisten aus Luzern, Ludwig Kiel (1496-1569), genannt Carinus, wurde die Hofstatt über längere Zeit von der wohlhabenden Krämerfamilie Lützelmann übernommen. Ein Medaillon mit dem Datum 1587 im reich dekorierten zweigeschossigen Querbau belegt die zeitgemässe Ausstattung mit gemalten Rollwerkdekorationen über vielen Türen und Fenstern, spielerischen Girlanden und mit einem von Atlanten getragenen Ornamentband und Medaillons, deren Profilköpfe virtuos an antike Vorbilder anknüpfen im Erdgeschoss-Saal des Vorderhauses.

Auf die Initiative des Oberstzunftmeisters Hans Balthasar Burckhardt-Gottfried (1642-1722) und seiner Gemahlin Salome (1654-1721) dürfte die Aufstellung des Ceresbrunnens im Hof um 1680, der dem Bildhauer Balthasar Hüglin (vor 1661-1706) zugeschrieben wird, zurückgehen. Der studierte Jurist Burckhardt war ein politisches Schwergewicht in Basel und zeichnete sich durch seine allseits gefragten diplomatischen Fähigkeiten aus. Gleichwohl geriet er bei den Unruhen von 1691, dem sogenannten Einundneunzigerwesen, das wegen der Machtkonzentration und Vetternwirtschaft weniger Familien - vor allem der Burckhardts - und ihrer Bestechlichkeit ausbrach, vorübergehend in Kalamitäten.

Der nächste Modernisierungsschub geschah unter dem Ehepaar Johann Jakob de Rudolph Frey-Ryhiner (1718-1790), Ratsherr zu Weinleuten, und Sara Ryhiner (1720-1778), aus einer reichsadligen Familie aus dem Elsass. Sie liessen das Vorderhaus 1758 barockisieren. Das Gebäude erhielt eine neue Fassade mit fünf regelmässigen Fensterachsen, die im Parterre von Korbgittern geschmückt sind. Die erste Etage erreicht man über eine repräsentative zweiläufige Eichentreppe mit Balustern, die zu einem eleganten Salon führt. Seine Schmuckstücke sind der reich geschwungene von einer Ziervase bekrönte Turmofen und der von zartem Rocaillestuck übersponnene Plafond, dessen zum Teil à jour ausgeführte Eckkartuschen Allegorien der vier Jahreszeiten - dargestellt von zierlichen Putten - umrahmen. Im zweiten Obergeschoss wurde ein weiterer Salon eingerichtet, von dessen Ausstattung sich ein von Stuckmarmor umrahmter offener Kamin erhalten hat, überhöht von einem Spiegel, darüber ein Genrebild von Joseph Esperlin von 1767.

Inzwischen hat sich das theologische Institut der Universität im Zerkindenhof niedergelassen. Der frühere Festsaal der Ritter im Erdgeschoss beherbergt heute den «Grossen Seminarraum», der Quertrakt die Bibliothek.